Die Ästhetik des Gürteltiers:

Interview mit Ralf K. Röttjer

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Ralf K. Röttjer (*1960 )

Geboren in den späten 1950ern, aufgewachsen in Dresden, sächsischer Mundartspezialist, Zimmermann gelernt und ausgeführt, Szenenbildner beim Fernsehen der DDR, Studium der Typografie und Ausstellungsdesign – alles in allem ein typisches Wendekind. 

Später eigene Agentur für Design, Beginn der Lehre in Berlin und Hamburg, Bücher über Prinz Bruno geschrieben und gemalt, Ausstellungen in ganz Deutschland, Österreich und Florida, Down to Earth, wieder gemalt und wieder gelehrt, 7 Jahre Professur für Design in Leipzig. Spätestens da war die kostspielige Schulung in »Wie spreche ich Hochdeutsch« im Eimer.

Inzwischen Rentier mit Faible für Wein, Design, I-KU, Prinz Bruno del Gado, lebens.mittel und die hoffentlich nie endende Suche nach dem Sinn des Lebens.

Lieber Ralf, du bist Gründungsmitglied im I-KU und Wein-Schmecker. Bei unserer vereinsinternen Blindverkostung unseres aktuellen GOLDSTAUB-Jahrgangs lagst du fast immer richtig bei der Zuordnung unserer Sorten. Welches ist dein persönlicher Lieblingswein des aktuellen Jahrgangs?

Interessanterweise wird man ja mit einiger Zeit betriebsblind. Will sagen, dass man sich im Laufe der Zeit eine Meinung bildet, die man dann für die maßgebliche hält. Ich glaube, bei vielen Menschen funktioniert das ähnlich. Also z.B. der Muscaris-Wein, den hatten meine Geschmacksnerven unter der Rubrik angenehm, aber fast schon zu halbtrocken abgespeichert. Erst bei unserer Blindverkostung im August ist mir aufgefallen, dass das ein absoluter Spitzenwein ist! Ohne zu wissen, was ich da probiere, konnte ich meine alten Bilder und Bewertungssysteme abstreifen und bin neutral in die Beurteilung hineingegangen. Schlussendlich hat mich der Geschmack total überzeugt – eben ein GOLDSTAUB. 

Als ausgebildeter Grafikdesigner kümmerst du dich seit Jahren um unser Vereins-Design. Vom Weinetickett bis zum Webauftritt. Abgesehen von der eher klassischen Markengestaltung hast außerdem du in den vergangenen Wochen als Chef-Social-Media-Gestalter ordentlich Kreativ-Power in unsere Instagram-Kampagne gepumpt. Bunt und laut und jung auf der einen Seite und seriöses Understatement auf der anderen Seite: Beides geht bei dir Hand in Hand.
Was macht gute Gestaltung für dich aus?

Wow, das ist ja eine Frage, die den Rahmen schnell sprengen kann. Seit mehr als 15 Jahren unterrichte ich zu dem Thema Design. In unzähligen Vorlesungen habe ich versucht, einen Begriff, eine Haltung und die Leidenschaft für Gestaltung und Design zu vermitteln. Grundsätzlich kann man sagen: Design ist überall. 

Unzählige kluge Köpfe haben sich zu diesem Begriff geäußert. Die Schwierigkeit liegt unter anderem darin, dass es im Bereich Design keine Wahrheit gibt. Design ist immer subjektiv, weil auf unterschiedliche und individuelle Weise wahrgenommen. 

Worin besteht für dich die größte Herausforderung bei der Gestaltung eines Vereinsauftritts im Gegensatz zu einem, sagen wir, Auftritt eines mittelständischen Wirtschaftsunternehmens?

Landläufig nimmt man ja an, man gestaltet für ein bestimmtes Unternehmen oder einen Verein. 

Aber dem ist eigentlich nicht so. Gute Gestaltung richtet sich immer an die sogenannte Zielgruppe, also an die Menschen, für die das Unternehmen oder der Verein seine Produkte und Dienstleistungen anbietet. Kurz gesagt: der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Das gilt für alle Organisationen, egal ob Verein, mittelständisches Unternehmen, Konzern oder Verwaltung.

Wenn das I-KU ein Tier wäre – welches?

Komisch, ich denke da immer an ein Gürteltier. Das sieht nicht nur exotisch und ästhetisch ansprechend aus, sondern lebt vorwiegend in sandigen Gebieten, so wie unser Verein. Außerdem wappnet es sich mit einem starken Panzer gegen alle Feinde. Wir als kleiner gemeinnütziger Verein sind oft in einer ähnlichen Situation. Der Berg, der Weinberg fordert uns jedes Jahr aufs Neue, der Frost, die Dürre, die Erziehung der Reben, der Bewuchs und vieles andere mehr. Aber am Ende des Jahres lockt jedem Mitglied, jedem Rebpaten, jedem Helfer und Freund des Weinbergs der neue GOLDSTAUB die Sonne im Gesicht.