Feldsteinscheunen und Lebkuchenhäuser:
Interview mit Thomas Näther
Thomas Näther (*1964 )
Kindergarten im Schloss Baruth
Schule in Berlin-Prenzlauer Berg
1985 Geburt des Sohnes Paul
1991 Abschluss Dipl.-Ing an der Humboldt-Universität zu Berlin
1995 Umzug in den Wald
2000 Bürogründung Näther Wucke
2000 – 2003 Architekturstudium an der Beuth-Hochschule
2006 – 2007 Weltreise
2008 – 2022 Projekte werden größer und größer…
Lieber Thomas, dein Einstieg ins I-KU begann 2015 mit einem Paukenschlag. Mit der von dir konzipierten »Weinbergscheune« hast du dem Weinberg einen großartigen Ort mit hoher Aufenthaltsqualität verschafft. 2016 wurde die Weinbergscheune beim Tag der Architektur durch die Architektenkammer Brandenburgs als Beispiel für Gebäude mit besonderer Qualität vorgestellt.
Was hat dich zur besonderen Architektur der I-KU Scheune inspiriert?
Was das Erscheinungsbild betrifft, hat mich vor allem die Typologie von regionalen ländlichen landwirtschaftlichen Gebäuden inspiriert: Das große Tor und das Satteldach sind Anlehnungen an lokale Bautraditionen. Historisch gesehen wurden mit Holz, Feldsteinen, Ziegel und Sand immer Materialien aus der unmittelbaren Umgebung verwendet. Mir lag am Herzen, dass das Gebäude vor Ort ohne vorgefertigte Elemente aus lokal verfügbaren Materialien errichtet wird.
Die Giebel aus Beton sind eine Reminiszenz an die massiven Feldsteinscheunen; die glatten Dachsteine sind die moderne Interpretation des schlichten Biberschwanzes. Die Giebel wurden übrigens vor Ort gegossen und dann aufgerichtet. Das war ein bisschen wie ein Lebkuchenhaus bauen.
Wichtig war mir auch eine minimalistische Überhöhung, durch die hinter die Giebel gesetzten Dachrinnen. Dadurch entsteht eine fast graphische Silhouette – ein archetypisches Haus.
Gleichzeitig gibt es auch eine fast sakrale Nuance mit dem rückseitigen Fenster und der Öffnung des Innenraumes zum Dach hin.
Du bist ein erfolgreicher Architekt mit Büros in Berlin und Baruth. Wie gelingt der Spagat zwischen Stadt und Land?
Der Spagat fällt oft schwer und ist erschöpfend. Ich bin eine Chimäre, die sich oft erklären muss. Gleichzeitig entsteht eine große Bereicherung durch die Verbindung von unterschiedlichen Denkweisen und Lebensarten.
Klimawandel, Ressourcenknappheit, Energiekrise: das alles trifft Architektur und Stadtentwicklung in ihrem Kern. Worin bestehen aus deiner Sicht die größten Herausforderungen für nachhaltiges Bauen in den kommenden Jahren?
Nachhaltiges Bauen ist so ein Schlagwort, das ich nicht mag bzw. das oft dem ideologischen Missbrauch dient oder zur Selbsterhöhung einlädt. Nachhaltig ist, was immer schon Architektur war.
Im 1. Jh. v. Chr. postulierte Vitruv die Anforderungen an Architektur – Utilitas, Firmitas und Venustas (Festigkeit, Nützlichkeit und Schönheit). Alles andere ist Bauen und nicht Architektur.
Genauso könnte man sagen – »Less ist more«, aber bitte nicht im Sinn von weniger Qualität.
Was wünscht du dir für die Zukunft des I-KU?
Ich wünsche mir, dass unser Verein deutlich jünger, diverser und weniger ›kolonialistisch‹ wird – weniger alte weiße Westmänner(I)nnen!oder