Heimat gestalten, Werte vermitteln:

Interview mit Ronny Neumann, Lehrer in Baruth

R_Neumann_Portrait

Ronny Neumann (*1978 )

In Rüdersdorf aufgewachsen, dort die Grundschule und das Gymnasium besucht. Außerdem von Kindesbeinen an als Sportler und Trainer in diversen Sportvereinen aktiv.

1998 Abitur, dann Bundeswehr und im Anschluss Lehramtsstudium in Potsdam.

2003 in die Rüdersdorfer Kommunalpolitik gewählt und bis heute dort als Vorsitzender der Gemeindevertretung und Ortsbeirat tätig.

Seit 2013 Lehrer für Sport und Geografie an der Freien Oberschule Baruth

Den Sportlehrer sieht man Ronny Neumann auf jeden Fall an. Er ist dynamisch, immer in Bewegung, nicht nur körperlich sondern auch im Kopf. Seit mehr als zwei Jahren kooperiert er mit seiner Klasse an der Freien Oberschule Baruth (FOB) mit dem I-KU und ist seit Kurzem auch ordentliches Mitglied in unserem Verein. Nistkästenbau, Obsternte, Spieleentwicklung – auf den Baruther Streuobstwiesen und drumherum wird Bildung für nachhaltige Entwicklung tatkräftig und praxisnah umgesetzt. Wenn Ronny sagt „Machen wir!“, dann wird etwas draus. Als Vorsitzender der Gemeindevertretung und Ortsbeirat in Rüdersdorf ist der Lehrer für Sport und Geografie auch kommunalpolitisch engagiert. Man munkelt, dass er im kommenden Jahr nach Baruth umziehen wird – was schade für Rüdersdorf, aber definitiv eine Bereicherung für unsere Kommune wäre!

Lieber Ronny, du bist Lehrer an der Freien Oberschule Baruth (FOB) und seit zwei Jahren fester Kooperationspartner des I-KU. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als wir damals das Projekt lebens.mittel bei euch an der Schule vorgestellt haben und von dir eine ziemlich spontane Zusage erhielten. Was hat dich damals dazu bewogen, mit deiner Klasse mitzumachen?
Die Beweggründe für die Entscheidung zu dem Projekt waren recht einfach. Wir können ein Projekt von Anfang an mitgestalten und ausfüllen. Bei langfristigen Projekten sind Entwicklungen besser darzustellen und zu beobachten. Hinzu kam die Thematik. Ein Großteil meiner Klasse kommt aus Baruth und Umgebung. Es ist für die Schüler auch eine Chance, Heimat zu gestalten. Gemeinsam schaffen wir Werte und diese sind für die Schüler unmittelbar sichtbar. Letztendlich sehe ich für beide Seiten immense Vorteile und Möglichkeiten in dem Projekt. Wir sind eine Baruther Schule und so können wir die Schule und die Streuobstwiese in Baruth verwurzeln. 

Nachhaltigkeit und Regionalität sind zwei zentrale Handlungsfelder im I-KU. Was bedeuten diese Themen für den Unterricht bzw. für das Konzept einer „Bildung für nachhaltige Entwicklung“?
Beide Begriffe werden ziemlich beansprucht, sowohl medial als auch im schulischen Kontext. Selten sind diese Begriffe aber im Unterricht wirklich greifbar zu machen. Also gehen wir raus und erleben die Begriffe hautnah. Wir erleben gemeinsam, was es bedeutet, eine Streuobstwiese so herzurichten, dass im Endeffekt Apfelsaft von genau dieser Wiese hergestellt wird. Die Äpfel wachsen in Baruth, werden dort gepflückt und zu Saft verarbeitet. In allen Prozessen sind die Schüler beteiligt. Besser kann man diese Begriffe nicht abbilden.

Die FOB hat seit Jahren wachsenden Erfolg in der Region, beim Tag der Offenen Tür Anfang November war der Andrang von interessierten Eltern groß. Was macht eure Schule richtig bzw. welche Empfehlungen würdest du weitergeben?
Anscheinend machen wir einiges richtig, wenn natürlich auch nicht alles. Ein großer Pluspunkt ist sicherlich die Größe der Schule. Mit maximal 192 (24 pro Klasse) ist die Anzahl der Schüler überschaubar. Ich würde es sogar als familiär bezeichnen. Dadurch entsteht keine große Unruhe. Ebenso ist die Lage der Schule sehr idyllisch. Aber was nützt das beste Umfeld, wenn der Inhalt nicht passt? Wir gehen einen sehr praxisorientierten Weg, so dass jeder Schüler möglichst viele Einblicke in verschiedene Berufsfelder erhält. Am 13.1.2024 findet der nächste Tag der offenen Tür statt. Wer Interesse hat, ist herzlich willkommen. 

Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt vor allem von einem leistungsfähigen und gerechten Bildungssystem ab, das die Grundlagen für den sozialen Zusammenhalt in einer immer heterogeneren Gesellschaft schafft. Was spricht eigentlich gegen ein „Sondervermögen für Bildung“, um der tiefen Krise des deutschen Bildungssystems wirkungsvoll zu begegnen?
Das Wort Sondervermögen zieht nach dem Urteil aus Karlsruhe ja seine Kreise. Ich weiß nicht, ob Geld die entscheidende Rolle spielt. Der Digitalpakt wurde vor einigen Jahren ausgerufen und wo stehen wir? Schulträger verzichten auf Gelder, weil die Antragsstellung und Umsetzung ein bürokratischer Kraftakt ist. Wir haben massiv systemische Fehler in unserem Bildungssystem. Wir wollen alles regulieren, differenzieren und individuell gestalten. Dazu haben wir an allen Ecken und Enden zu wenig Personal und auch nicht die entsprechende Ausbildung an den Hochschulen. Wirkliche Besserung ist auch nicht in Sicht. Wenn mehr Geld in das System soll, dann bitte direkt an die Schulen und zu den Entscheidungsträgern vor Ort.