Man muss Landschaft lesen können!

Interview mit dem Forstwirt, Weinbauer und Winzer Oliver Franck

Oliver Franck
*1969 in Berlin, in einer Beziehung lebend, zwei Kinder, drei Enkel
Berufserfahrung:
_ seit 2004 Freiberufliche Tätigkeit als Forstingenieur und selbstständig mit dem Büro für Forst- &Landschaft –naturepen
_ 1998 – 2004 Forstingenieur bei den Berliner Stadtgütern – BSGM
Nebenberuf:
_ seit 2008 PEFC Forstwirtschaftsbetrieb rund um Mahlsdorf
_ seit 2015 BIOLAND Landwirtschaft rund um Mahlsdorf
_ seit 2017 Weinbau in Mahlsdorf
_ seit 2021 Gründung GbR Riedel & Franck Gut Kienberg
Studium
1996 -1997 Vorbereitungsdienst in Sachsen-Anhalt im Staatlichen Forstamt Wörlitz
Laufbahnprüfung und Abschluss zum gehobenen Forstdienst
1992 – 1996 Forstwirtschaft an der FH Eberswalde Abschluss: Dipl.-Forstingenieur (FH)
Diplomarbeitsthema bei Prof. Dr. Bergmann/Dr. Eisenhauer:
Qualitäts- und Vitalitätsuntersuchungen von Eichennaturverjüngungen
Berufsausbildung:
1985 – 1988 Ausbildung und Abschluss zum Zootierpfleger im Zoologischen Garten Berlin
Ehrenamtliche Tätigkeiten
seit 1994 Mitglied in der Arbeitgemeinschaft für
naturgemäße Waldwirtschaft- AG Brandenburg
seit 1999 Mitglied im Landschaftspflegeverein Teltow-Fläming TF

Oliver Franck ist diplomierter Forstwirt. Aber er kennt sich nicht nur aus mit Wäldern, sondern auch mit Feldern, mit Streuobstwiesen, mit Vieh und Hühnern – und mit Wein. Sein Credo lautet: Zuhören, was Landschaft erzählt und Dinge mit Partnern gemeinsam entwickeln. Deshalb wird Zusammenarbeit auch großgeschrieben auf dem Gut Kienberg, das er gemeinsam mit seiner Tochter Laura und seinem Schwiegersohn Fabian Riedel bewirtschaftet. Im Interview spricht er über ökologische Landwirtschaft, über Landschaft und seine Idee der Vielfalt.

Lieber Oliver, seit 2015 bewirtschaftest Du in Mahlsdorf das Gut Kienberg. Was hat Dich als Forstwirt dazu bewogen, auf Landwirtschaft zu setzen?
Wir haben damals bei Null angefangen. Es gab meine Ackerflächen – das waren damals knapp 20 ha. – sowie eine winzige Scheune. Das war’s. Es gab nicht einmal einen Stall. Dass ich überhaupt in dieses Abenteuer gesprungen bin, verdankt sich einer Trotzreaktion. Denn zu der Zeit war der Landwirt, dem ich meine Flächen verpachtet hatte, nicht dazu bereit, mir ein paar Ballen Stroh zu verkaufen. Als Ferienkind bin ich in den großen Ferien auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein großgeworden und kenne die ungeschriebenen Regeln, die es zwischen Landpächter und Landverpächter gibt. Eine davon lautet: wenn der Verpächter etwas braucht, dann bemüht sich der Pächter, das möglich zu machen. Mein Pächter war offenbar mit dieser Regel nicht vertraut und lehnte meine Anfrage ab. Er sagte, er brauche das ganze Stroh selber. Und so beschloss ich, meine Flächen in Zukunft selber zu bewirtschaften. Das war der Anfang vom Gut Kienberg. Ich habe dann nach und nach Flächen dazugekaufen bzw. pachten könnnen. 2021 kam schließlich mein Schwiegersohn und Geschäftspartner Fabian Riedel zusammen mit meiner Tochter Laura und Enkel Magnus dazu. Seitdem sind wir zu dritt: Fabian, Diplom Landwirt, ist für den landwirtschaftlichen Teil verantwortlich. Laura, Gärtnerin und Landschaftsplanerin, kümmert sich um alles, was mit Obst und Gemüse zu tun hat, und ich bin für den waldwirtschaftlichen Teil zuständig. Um Reben und Weinkeller kümmern wir uns gemeinsam.

Seit diesen Anfängen habt ihr eine weite Strecke zurückgelegt. In der Region gehört das Gut Kienberg inzwischen zu den Vorreitern einer ökologischen Landwirtschaft. Auf der Webseite der Naturschutzberatung Brandenburg heißt es: „Das Gut Kienberg setzt in seinem Betriebskonzept auf Vielfalt und kleinstrukturierte Bewirtschaftung“ Was bedeutet das genau?
Von Anfang an war klar, dass wir den in der Gegend üblichen Monokulturen von Roggen und Mais mehr Vielfalt entgegensetzen wollten. Dabei auf biologische Landwirtschaft zu setzen, kam aus meiner tiefen Überzeugung, dass eine Landnutzung nur dann gelingen kann, wenn der Standortfaktor Boden und der Raum Drumherum – in diesem Fall eine reich strukturierte Kulturlandschaft – durch die Bewirtschaftung keinen Schaden nehmen. Diese Erkenntnis habe ich durch den frühen Kontakt zu den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft, kurz ANW, während meines Forstwirtschaftsstudiums verinnerlicht. Auch da kann die Ressource Holz nur dann ökologisch erzeugt werden, wenn der Lebensraum Wald diese Entnahme von Bäumen kaum merkt. Die Idee dieses „Dauerwaldes“ ist jetzt 125 Jahre alt. Voraussetzungen dafür sind eine standortsangepasste Mischung aus möglichst heimischen Nadel- und Laubbäumen, strukturierte Bestände und keine Kahlflächen.

Diesen Ansatz findet man auch in der ökologischen Landwirtschaft. Wichtig dabei ist eine reich strukturierte Kulturlandschaft, mit Fruchtwechsel, aufbauenden und regenerierenden Kulturen, Stauhaltung auf den Niedermoorwiesen usw. Dazu kommen Hecken, Baumreihen und kleine Bauminseln, die in die regionaltypische Landschaft mit vielen Hanglagen und hügeligem Gelände eingebettet sind. Das macht die ganze Sache richtig hübsch und natürlich auch ökologisch wertvoll!

Inzwischen bewirtschaften wir nach Bioland-Prinzipien rund 150 ha. Anbauflächen und 80 ha. Wald. Unser Betriebskonzept setzt auf Vielfalt und kleinstrukturierte Bewirtschaftung. Die Äcker sind durch Baum- und Strauchhecken unterteilt, wir haben Streuobstwiesen angelegt, Highland Rinder beweiden die wiedervernässten Moorflächen, und auf den steilen Hangflächen wird Wein angebaut. Der Betrieb produziert auch „bunte Eier“ alter Hühnerrassen und verkauft Küken aus der eigenen Brüterei. Außerdem engagieren wir uns im Wildbienenschutz, dem ökologischen Waldumbau und der Waldrandgestaltung.

Nicht zu vergessen: der Weinbau! Du bist einer der neuen Winzer im neuen Weinland Brandenburg. Was war für Dich beim Weinanbau reizvoll? Für welche Rebsorten hast du Dich entschieden?
Wein(an)bau ist eine der ältesten Landnutzungsformen der Menschheit, gleich nach dem Ackerbau und dem Hüten von Nutztieren. Dabei werden die vormals „schlechtesten“ verfügbaren Böden genutzt, nämlich die südexponierten trockenen, meist verkarsteten Hanglagen, auf denen niemand Ackerbau betreiben will. Diese Voraussetzungen machten die Winzer anfangs zu den Ärmsten der Landbevölkerung. Das hat sich ja zum Glück stark gewandelt, wobei derzeit aufgrund von Klimawandel, Verbraucherverhalten und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen (Energie-, Lohn-, Material- und Transportkosten) wieder große Veränderungen auf den Betrieben lasten.

Trotzdem hat es mich gereizt, in Brandenburg und auf der eigenen Scholle Wein anzubauen. Nach einem Besuch im Rheingau 2016 erschien mir auf meinen Agrarflächen ein kleiner Südhang, fast eine Steillage, geradezu prädestiniert für den Weinbau. Ausschlaggebend war aber vor allem, dass meine Tochter Laura zu der Zeit Gartenbau studierte und ich ihr die Praxis näher bringen wollte. So haben wir dann gemeinsam mit Kommilitonen von Laura im Sommer 2017 angefangen, den Kienberg mit PiWis zu bepflanzen. Piwis, also pilzwiderstandfähige Rebzüchtungen, ermöglichen es, mit weniger und natürlichen Pflanzenschutzmitteln biologischen Weinbau zu betreiben. Begonnen haben wir mit 400 Rebstöcken der Rebsorten Johanniter und Cabernet Blanc. Im letzten Jahr konnten wir, auch aufgrund einer großzügigen Förderung der EU, Bund und Land, durch die Pflanzung einer Dauerkultur unsere Rebfläche um weitere 3.600 Reben erweitern. Neben dem Cabernet Blanc haben wir mit dem Sauvignac einen weiteren „Weissen“ angepflanzt. Außerdem wurden die ersten Rotwein-Reben mit Cabaret Noir angepflanzt. Wenn alles gut läuft, können diese Weine 2027 erstmals verkostet werden.

Und zum Schluss setze doch bitte einmal deine Zukunftsbrille auf: Was sind deine Prognosen und Wünsche für Entwicklung des Weinbaus im Fläming?
Ich wünsche mir, dass die Akteure in der Region – neben dem I-KU e.V. sehe ich hier vor allem auch die die Weinbau-Aktivitäten von Ferdinand von Lochow in Petkus – in Zukunft intensiver zusammenarbeiten, um einen stärkeren Austausch von Wissen zu erreichen und unsere Expertise zu schärfen. Dabei sollten wir uns ein Beispiel an den Weinbauern in Hessen, Rheingau und anderswo nehmen. Dort gibt es kleine Stammtische, da setzt man sich zusammen, da wird diskutiert, da wird möglicherweise gemeinsam mal ein Gerät angeschafft. So wurschtelt nicht jeder alleine auf seiner eigenen Scholle rum, sondern man agiert als Gruppe und wird dabei auch stärker – und schlauer.